3.4. Der Glitch in Glitch Art
- Marinus Börlin
- 13. Feb. 2023
- 12 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Feb. 2023

Das Verhältnis von Glitch Art zu Glitches ist ein komplexes und die Definitionen werden dem nur sehr bedingt treu. Glitch Art wird als Stil, Produktionsweise oder Genre verstanden, in denen Glitches für künstlerische Zwecke angeeignet werden. Sie bedient sich demnach bei Unfällen und Fehlern in Kommunikationstechnologien, indem sie diese einfängt und rekontextualisiert oder provoziert, beziehungsweise (re-)produziert. Die Objekte der Fehlfunktionen können dabei sowohl korrumpierte digitale Daten sein als auch physikalisch manipulierte elektronische Geräte.
Diese Assemblage aus gängigen Definitionen erscheint vorerst nachvollziehbar, sie birgt jedoch in der Praxis und den Diskursen von Glitch Art einige Komplexitäten, die sich in verschiedenen Differenzierungen und Widersprüchlichkeiten manifestieren. In diesem Kapitel geht es mir darum, einige dieser die Glitch Art prägenden Spannungsverhältnisse aufzuzeigen, die aus den Annahmen resultieren, welche mit Definitions- und Kategorisierungsversuchen einhergehen. Wie es so oft bei Genrezuschreibungen geschieht, werden auch hier konstruierte Kategorien nicht selten für Gatekeeping-Zwecke instrumentalisiert, die nicht weniger unpräzise sind, aber dafür umso strikter verteidigt. Die Facebookseite Glitch Artists Collective: Tool Time, die mit dem seit längerem wohl grössten Zusammenschluss an Glitch Künstler:innen und Forscher:innen verbunden ist – dem Glitch Artists Collective[1] – bringt diese auf den Punkt:
"2: CIVILITY RULE -- Do not post about the topic of 'validity' of a glitch art app, script, or technique. Even threads about the existence of 'glitch purists' turn into burning heaps of argumentative trash in about 5 posts. All methods are allowed and if you'd like to be judgmental, please do it somewhere else."[2]
Eine solche Offenheit stellt die Forschung zu diesem Thema vor einige Schwierigkeiten. Mein Ziel ist es nicht, diese Diskussionen und Problemstellungen zu lösen, um Glitch Art abschliessend definierbar zu machen, sondern ansatzweise nachzuzeichnen, wie sich die diversen Positionen gegenseitig beeinflussen und was sie bedingt. Zu diesem Zweck erläutere ich im Folgenden eine Reihe von Ambivalenzen, die in den weiteren Kapiteln dieser Arbeit aufgegriffen werden können. Viele dieser Argumente, die ich analysiere, nehmen den Modus einer kategorischen Aufteilung an, denen eine Annahme von Glitch Art vorgestellt ist, die auf essentialistische Weise mit dem, was unter dem Glitch verstanden wird, zusammenhängt. Schlussendlich gehen demnach die meisten Begründungen, wenn es zur Debatte steht, ob etwas Glitch Art ist oder nicht, darauf zurück, ob und wie ein Glitch in der Produktion involviert war. Auf eine allgemeine Ebene übertragen wird so indirekt eine Separation von Glitch Art im engeren Sinn und Glitch Art im weiteren Sinn vorgenommen (im Folgenden mit "Glitch Art i.e.S." und "Glitch Art i.w.S." bezeichnet), deren theoretisches Konstrukt wie folgt lauten würde: Glitch Art i.e.S. bedient sich bei Glitches, ist eine kritische, künstlerische, explorative Praxis und hängt mit Zufall und Spontanität zusammen. Glitch Art i.w.S. umfasst diverse Störungsästhetiken, ist ein loses Genre oder ein Designtrend und beinhaltet geplante Gestaltung und Reproduzierbarkeit. Mit den Begriffen Glitch Art i.e.S. und Glitch Art i.w.S. möchte ich kennzeichnen, dass es nicht in jedem Einzelfall eindeutig ist, welcher Ebene ein Werk zugeordnet werden kann. Ausserdem ist das Ziel der Formulierungsweise, die unterschiedlichen Typologien und Zuschreibungen nicht mit einer Wertung zu verwechseln, wie es viel zu schnell in Bezeichnungen wie "pure glitch"[3] oder "true glitch"[4] anklingt. Kurz gesagt: Es geht in dieser Trennung um die Beschreibung einer diskursiven Praxis und nicht um eine abschliessende Zuschreibung von inhärenten Eigenschaften. Die Ansicht, dass Glitch Art nicht nur die eine oder andere Ebene umfasst, ist dabei keine Sonderstellung, aber sie nimmt häufig eher eine apologetische als argumentative Note ein.
So schreibt beispielsweise Menkman: "[G]litch art is best described as a collection of forms and events that oscillate between extremes: the fragile, technologically-based moment(um) of a material break, the conceptual or techno-cultural investigation of breakages, and the accepted and standardized commodity that a glitch can become."[5]
Gleichzeitig bauen zahlreiche Abhandlungen zur Glitch Art auf solchen Distinktionen auf, anhand derer sich erste Komplexitäten und Problematiken von übergreifenden Glitch Art Erklärungsansätzen erkennen lassen. Ein solcher für die Diskurse sowohl prägender, als auch repräsentativer Kategorisierungsansatz findet sich im untenstehenden Schema von Shay [Iman] Moradi aus seiner einflussreichen Bachelorthesis Glitch Aesthetics von 2004. Deren Reichweite lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass der Text eine sehr frühe, wenn nicht die erste akademische Auseinandersetzung mit den visuellen Glitches unter dem Titel Glitch Art darstellt und in einem Netzwerk von ihrerseits einflussreichen Glitch Artists entstanden ist, wie Ant Scott (Beflix) und weiteren Beteiligten des von Motherboard organisierten Glitch Festival and Symposium im Jahr 2002.[6]
Auch wenn dieses Schema mittlerweile vielfach kritisiert und überarbeitet wurde,[7] umfasst es nichtsdestotrotz zwei der wohl am häufigsten zitierten Kategorien von Glitches in Glitch Art und hat immer noch weitreichende Konsequenzen hinsichtlich der Diskurse.[8]
Das Schema sieht wie folgt aus:[9]
Pure Glitch Glitch-alike
Accidental Deliberate
Coincidental Planned
Appropriated Created
Found Designed
Real Artificial
Auf der einen Seite ist der Pure Glitch situiert: Unabsichtlich, zufällig, angeeignet, gefunden und real. Auf der anderen der dem nachgestellte und binär oppositionelle Glitch-alike: Absichtlich, geplant, erschaffen, gestaltet und unecht.
Es ist in dieser Gegenüberstellung nicht schwer zu sehen, von welchem Standpunkt aus Moradi argumentiert. Zum Zeitpunkt seiner Arbeit sind visuelle Glitches in erster Linie weniger Mittel oder Methode zur Herstellung von Kunst, sondern unerwartete Störungen, die in der zunehmenden Verwendung von Kommunikationstechnologien mehr und mehr vorkommen. Was er mit Pure Glitch bezeichnet, steht dabei für diese im regulären Gebrauch spontan auftauchenden Fehler, die nichtsdestotrotz mit künstlerischer Intention eingefangen, aufgenommen und weiterverarbeitet werden können, um Glitch Art zu machen. Sobald jedoch eine Intentionalität auf Seiten der Glitch Entstehung hinzukommt – die Glitches aktiv herbeigeführt, produziert oder nachgeahmt werden – handelt es sich nach dieser Aufteilung um ein Glitch-alike. Die Trennung ist vor allem bezüglich der Glitch-alikes noch nicht sehr ausdifferenziert. Das Schema separiert stattdessen zwei Herangehensweisen an Glitch Art, die mit den Gegenüberstellungen "caused or found"[10] bei Byron, oder mit "instigated complexities or stumbled-upon accidents"[11] bei Briz verglichen werden können. Moradis Begriffsduo liefert in dieser Hinsicht einen guten Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit Glitch Art entlang von Kategorisierungen, insofern es noch weitere Distinktionen beinhaltet, die in der Auflistung zwar erahnt, aber erst in späteren Texten ausformuliert wurden. Erstens ist das die Unterscheidung zwischen einer Glitch Art, die Oberflächeneffekte nachahmt und einer, die Glitches provoziert oder produziert. Zweitens wird eine problematische Figur des Zufalls oder Unfalls eingeführt, die als kategorische Eigenschaft ihre eigenen Ambivalenzen mit sich bringt.
In der Einführung zu Glitch: Designing Imperfection von 2009 schreibt Moradi auf das Schema referierend:
"In forcing a visual glitch, there is an element of unpredictability that makes experimentation worthwhile and rewarding.
Less commonly, the qualities of pure visual glitches are also studied and mimicked by adept designers, who create what can be termed as 'glitch-alikes.' These directly share the visual characteristics and makeup of pure glitches found in their original habitats, but are actually synthesized and faked."[12]
Diese Trennung zwischen realen und fake Glitches geht hierbei weiter als die Unterscheidung zwischen gefundenen und kreierten. Über das Schema hinaus führt sie eine Aufteilung ein in provozierte Glitches, die mit einem Element der Unberechenbarkeit einhergehen und Glitch-alikes, die gestaltet sind und nur visuelle Eigenschaften mit den Pure Glitches teilen – Mimikry Glitches. Diese gestalteten, "synthetisierten" Glitches sind in vielerlei Hinsicht verantwortlich für die Verbreitung der Glitch Art, indem sie die Herstellung zugänglicher machen sowie gleichzeitig die Grenzen des Genres öffnen, indem die Methoden vielseitiger werden. Auf der einen Seite ist diese Argumentation schlüssig, da durch gestaltete Glitches auch solche den Weg ins Genre finden, die lediglich oberflächliche Strukturen imitieren.

Auf der anderen Seite wird hier nicht anerkannt, dass auch im Design, oder gerade da, die Prozesse zur Herstellung von Glitches reflektiert untersucht werden, bevor sie als Werkzeuge, Filter, usw. die Endprodukte wieder von ihrem Procedere trennen. Die kritische Auseinandersetzung mit der Technologie, die ein Glitch evoziert, ist so gerade die Existenzbedingung für diese Auflösung des kritischen Moments. Menkman schreibt, dass die Popularisierung von Glitches nicht entgegen deren inhärent kritischen Moment(um)s stattfindet, sondern genau deswegen.[13] Sie schlägt in Folge dieses Sachverhalts vor, unterschiedliche Dimensionen des Glitches in der Glitch Art zu differenzieren:
"Glitch art then potentially incorporates a range of works that are post-procedural, deconstructive, accidental and so on, alongside works more focussed on a final end-product, aesthetic or design."[14]
Byron greift diese inkludierende Argumentation in seinem kurzen Text Semiotics of Glitch Artistic Practice auf und reproduziert zugleich die darin enthaltenen Dichotomien mitsamt ihren internen Inkonsistenzen. Er fasst diese unter dem Begriffspaar Glitch Ästhetik und Glitch Produktion zusammen:
"Glitch art is typically described as a kind, or style, of production error: 'accidental' (caused or found) mistakes in the production or translation of a digital work. However, much of glitch is created using intended errors, or even simulations of error, created via reproducible means. The latter defines glitch aesthetics, as distinct from glitch production. […] Glitch Production can be further defined by varying the amount of artistic control and stochasticity involved in creating glitch art."[15]
Byron beschreibt auf der einen Seite die Glitch Ästhetik[16] als das, was auf simulierten, wiederholbaren Fehlern aufbaut, also Oberflächeneffekte imitiert[17] und das Endprodukt vom Prozess abtrennt. Damit folgt er einer ähnlichen Linie, wie Moradi bezüglich der designten Glitch-Alikes. Von den simulierten Glitches der Glitch Ästhetik unterscheidet Byron die Glitch Produktion, indem bei letzterer in der Verbindung von Maschine/Programm und User:in ein Fehler mit der Absicht generiert oder provoziert wird, Glitch Art herzustellen. In dieser Formulierung und den Kategorisierungen, aus denen sie resultiert, steckt ein in den Diskursen der Glitch Art verbreitetes Oxymoron von beabsichtigen Fehlern oder geplanten Unfällen.
Diese Ambivalenz, die vielen Kategorisierungen zugrunde liegt, resultiert aus der direkten Übertragung der Eigenschaften eines Glitches auf die Beschaffenheit der Glitch Art. Erstens steckt darin die Annahme, dass im Prozess der Glitch Art Produktion, wie bei Pure Glitches ein Element von Zufall mitspielt, das mit einem Unfall verbunden ist.[18] "[It] seems clear that any appreciation of the form, and any desire to produce it, is rooted in the belief in an originary and pure accident, which the artis seeks to emulate and/or develop and extend."[19] Dieser originäre Unfall in der Glitch Art, der mit einem unkontrollierten Zufallselement zusammenhängt, ist dabei bloss bei gefundenen Glitches haltbar und selbst bei diesen ist fraglich, ob sich die Zufälligkeit nicht viel mehr auf die Entdeckung des Glitches, als auf dessen Entstehung bezieht. So schleicht sich über die Figur des Glitches als Folge seiner Aneignung auch ein Element des Zufalls in die Vorstellung der Glitch Produktion ein, was in den verbreiteten Praktiken nur sehr begrenzt zutrifft. Akkurater wären die Bezeichnungen der Ungewissheit oder Unberechenbarkeit, die Temkin & Manon ansprechen, wenn sie Glitch Praktiken als "pseudo-aleatory"[20] bezeichnen. Während der Prozess der Glitch Art Produktion auf Seiten der User:innen stochastisch erscheinen mag, geschieht auf der Ebene der Technologie nichts strikt Zufälliges. Was die Figur des Zufalls oder des Chaotischen evoziert, ist das Missverhältnis im Ausmass zwischen winzigen Veränderungen auf Seiten des Inputs und immensen Transformationen auf Seiten des Outputs. Die Veränderung der Seitenverhältnisse eines Bildes um weniger Pixel auf nur einer Seite hat beispielsweise weitreichende Konsequenzen für das Dargestellte.

Ein gleicher Input in das gleiche System bringt jedoch immer die gleichen Resultate hervor.
Zu den wohl verbreitetsten Methoden in der Herstellung von visueller Glitch Art gehört die Bearbeitung von digitalen Bilddateien in Hex-, Text- und Soundbearbeitungsprogrammen – ein Vorgehen, das in Anlehnung an das Circuit-Bending mit Databending bezeichnet wird.
WordPad- wie auch Sonification-Glitches gehören zu diesem populären Ansatz. Dabei trifft Temkins Argument zu, dass diese Strategien von Glitch Art Produktion nicht viel mit Glitches im strengen Sinn zu tun haben:
"The glitch aesthetic may be rooted in the look of malfunction, but when it comes to actual practice, there's often not much glitch in glitch art. Yes, some glitch artists are actually exploiting bugs to get their results – but for most it would be more accurate to describe these methods as introducing noisy data to functional algorithms or applying these algorithms in unconventional ways."[21]
In dieser Hinsicht wird auch die Rolle des Fehlers in der Glitch Art eine sehr ambivalente. Das, worauf sich die Fehlfunktion in Definitionen der Glitch Art bezieht, ist nicht unbedingt der gescheiterte technische Prozess, sondern eine Abweichung von intendierter Funktionalität. Die Figur des Glitches, welche sie von anderen Störungen unterscheidet, ist gerade darum so produktiv, weil sie keine komplette (Zer-)Störung auslöst. Der Glitch ist die Verbindung eines unerwünschten Inputs – in der etymologischen Herleitung beispielsweise eine Veränderung der Stromspannung – und des unerwünschten Outputs, welcher resultiert, weil der Input trotzdem korrekt prozessiert wurde. Die Voraussetzung dafür, dass ein Glitch erscheint, ist nicht ein Versagen, sondern wie Temkin & Manon schreiben "a given program‘s failure to fully fail upon encountering bad data."[22]
Der Fehler in der Figur des Glitches bezieht sich also nicht auf die Funktionalität der Technik, sondern auf die Vorstellung hinsichtlich ihrer richtigen Funktionsweise, welche stets nur einen Bestandteil ihres Potentials ausmacht. Dass ein Oxymoron wie "beabsichtigter Unfall" die Glitch Art Diskurse prägt, folgert aus einer fälschlichen Trennung von Glitch Produktion als technische Störung einer Tiefenstruktur und Glitch Ästhetik als ästhetische Strategie von Oberflächeneffekten. Tatsächlich ist die Glitch Produktion häufig näher an einer Störung von Konventionen durch ästhetische Strategien in technischen Systemen, die nach ihrer internen Logik genau so funktionieren, wie sie gebaut wurden. Diese Tatsache beweist, wie schwierig nachvollziehbar die Trennung von Bedeutung und Information im Sinne von Shannon ist. Die Existenzbedingung von Glitch Art ist jedoch gerade dieses Modell, indem die Funktionsweise eines Kommunikationskanals an dessen Fähigkeit gemessen wird, intendierte Bedeutung zu übertragen, während seine Funktionalität nur Information verarbeitet. Die Glitch Art verweist auf diese Indifferenz des Computers als Informationsmaschine gegenüber der Lesbarkeit oder Qualität für menschliche Empfänger:innen.[23] Wenn beispielsweise nach einer Glitch Produktion noch ein Bild sichtbar ist, auch wenn dieses von Glitch Artefakten übersät ist, bedeutet das, der Algorithmus hat etwas erfolgreich berechnet und ausgegeben.
"A breach in normal function, however visible to the audience, is at the same time not a failure of the digital system. System failure is invisible, it becomes apparent not through misfunction, but as malfunction, a cessation – the digital renders nothing."[24]

"Glitch art, when approached this way, becomes a study of the dialogue between us and the machine – how we relate to logical systems, and what happens in the breakdown between human thought and computer logic."[25]
Die Glitch Produktion widersetzt sich demnach dem Design, in dem Absicht durch Vorhersehbarkeit verankert ist nicht durch das Element des Zufalls, sondern durch die Unvorhersehbarkeit. Wenn ein Glitch gestaltet und designbar ist, verschiebt sich der Fokus von dem, was Menkman als "post-procedural"[26] bezeichnet, auf das Endprodukt. Dadurch geht sein Aspekt verloren, welcher mit dem unerwarteten und bis zu einem gewissen Grad spontanen Bruch eines Informationsflusses zusammenhängt. Aus einer experimentellen Störung wird ein erlernbares Handwerk und aus dem Glich ein Filter, der mit Presets und/oder Defaults funktioniert.[27] Die Glitch Produktion an das zu binden, was in dieser Darlegung unter dem Glitch verstanden wird, heisst folglich eine kontinuierliche Neuverhandlung und Erkundung in das Genre einzubeziehen – eine Inklusion, die der Festschreibung selbst trotzt und sich nur in der quasi-paradoxen Formulierung der Konstanz der Inkonstanz greifen lässt. Nur was unerwartet bleibt – da wo jemand sich mit etwas Unbekanntem in Technologien auseinandersetzt und explorativ Störungen generiert – kann in dieser Argumentation als Glitch Produktion verstanden werden. Anstatt voneinander losgelöst sind die Seiten in kontinuierlicher Wechselwirkung. Die Glitch Produktion als Glitch Art i.e.S. liefert kontinuierlich neue Methoden und Erkenntnisse, wodurch die Glitch Art als Genre, die Glitch Art i.w.S. wiederum ergänzt wird. Gleichzeitig verschiebt letztere fortwährend die Positionen von dem, was unter Funktionalität und Ungewissheit verstanden wird und reguliert so zwischen dem, was Byron mit Glitch Produktion und Glitch Ästhetik beschreibt. Die Öffnung von Glitch Art hin zu reproduzierbaren Methoden und einer Adoption in der Popkultur kann so je nachdem gerade der Motor für Glitch Art sein und nicht, wie viele befürchten, deren Untergang. Eine explorative Form von Glitch Art, die zwischen stochastischen, unkontrollierten Ereignissen und programmierten, geplanten Werken oszilliert, ist die Studie von ersteren zur Erstellung von letzteren. Wird dabei eine Ähnlichkeit auf der Ebene der Darstellung angestrebt, kann dies mit der Übernahme der Produktionsweise einhergehen, muss aber nicht.
[1] Glitch Artists Collective. (Facebook). 2012. https://www.facebook.com/groups/Glitchcollective/ (Stand: 17.02.2023); vgl. Pieńkosz, Aleksandra & Piotr Puldzian Płucienniczak (eds.) Glitch art is dead. Kraków: Hub Wydawniczy Rozdzielczość Chleba, 2016. [2] Glitch Artists Collective: Tool Time. (Facebook). 2015. https://www.facebook.com/groups/GACToolTime/ (Stand: 17.02.2023). [3] Moradi, 2004: S. 9. [4] Temkin & Manon, 2011: S. 9. [5] Menkman, 2011b: S. 55. [6] Vgl. Motherboard. Glitch Festival and Symposium. 2002. http://www.liveart.org/motherboard/glitch/ (Stand: 17.02.2023). [7] Vgl. z.B. Menkman 2011b: S. 35 f. [8] Zwei Punkte sind diesbezüglich wichtig. Erstens wird in der Übernahme dieser Trennung oft vergessen oder ignoriert wird, dass Moradi unmittelbar nach dem Schema anmerkt: "The Glitch, [sic!] is often used as an all encompassing term to signify mutual qualities of both areas." Moradi, 2004: S. 11. Zweitens handelt es sich bei Moardis Text um eine Bachelorarbeit und er schreibt selbst dazu: "I’m saddened that most times people overrated the Glitch Dissertation I wrote. […] Some people were generous enough to call it a PhD dissertation, it most certainly was no such thing, and a few others translated bits in totality as their own, to me that speaks volumes about how young this field is!" Moradi, Shay [Iman]. Glitchbreak. 2011. http://www.organised.info/glitchbreak/ (Stand: 17.02.2023). [9] Vgl. Moradi, 2004: S. 11. [10] Byron, 2016: S. 246. [11] Briz, Nick. Glitch Art Historie[s]. 2011. http://nickbriz.com/files/glitchresearch/GlitchArtHistories2011.pdf (Stand: 17.02.2023). [12] Moradi, 2009: S. 9. [13] Vgl. Menkman, 2011b: S. 8. [14] Ebd.: S. 35. [15] Byron, 2016: S. 246. [16] Die Glitch Ästhetik ist ein weiter und umfassender Begriff und wird häufig allgemeiner verwendet als bei Byron, um zu beschreiben, was als Look oder Stil von Glitches und Glitch Art empfunden wird. Sie hebt die Vorstellung auf, dass nur das Glitch Art ist, was mit Mitteln entstanden ist oder produziert wurde, die mit den gängigen Definitionen von Glitch korrespondieren. Dadurch hängt sie eng mit dem zusammen, was Menkman unter Glitch Art als Genre bespricht. In dieser Bezeichnung wird hervorgehoben, dass Glitch Art als abstrakte und fluide Sammlung der dazugehörigen Einzelstücke ein soziales und konsens-basiertes Konstrukt ist und nicht eine definitive und eindeutige Kategorie. Vgl. Menkman, 2011b: S. 56. [17] Vgl. Byron, 2016: S. 246. [18] Im Englischen ist die sprachliche Verbindung von Zufall und Unfall über die Begriffe "Accident/accidental" noch einmal stärker als im Deutschen. [19] Temkin & Manon, 2011: S. 3. [20] Ebd.: S. 3. [21] Vgl. Temkin, Daniel. Glitch & & Human/Computer Interaction. The Journal of Objectless Art (2014). https://nooart.org/post/73353953758/temkin-glitchhumancomputerinteraction (Stand: 17.01.2023). [22] Temkin & Manon, 2011: S. 1. [23] Temkin, Daniel. Glitch & & Human/Computer Interaction. The Journal of Objectless Art (2014). https://nooart.org/post/73353953758/temkin-glitchhumancomputerinteraction (Stand: 17.02.2023). [24] Betancourt, 2017: S. 12. [25] Temkin, Daniel. Glitch & & Human/Computer Interaction. The Journal of Objectless Art (2014). https://nooart.org/post/73353953758/temkin-glitchhumancomputerinteraction (Stand: 17.02.2023). [26] Vgl. Menkman, 2011b: S. 36 ff. [27] Vgl. ebd.: S. 55.





